Haunstetten, das kannst du besser

Eigentlich wollte ich heute Abend was ganz anderes machen. In der TSV Gaststätte war nämlich mal wieder großer Bingo-Abend und der Andrang war wirklich enorm. Der Parkplatz vor der Sporthalle war kurz vor 20 Uhr so dicht zu geparkt, ich dachte erst es ist 2. Bundesliga Damen Handball.

Also musste ich erstmal gegenüber im Wohngebiet irgendwo parken und lief gute drei Minuten, ehe ich ziemlich genau um 20 Uhr an der Halle vorbei Richtung Gaststätteneingang kam und einen dumpfen Pfiff hörte. Zwei Leute gingen auch grad noch in die Sporthalle und murmelten irgendwas von „oh, hat schon angefangen“ und ich fragte kurz nach „was denn?“. Ein hastiges „Ach Handball“ brachte mich schnell ins Grübeln. Ich sah durch das große Fenster der Gaststätte, dass der Saal schon ziemlich besetzt und Bingo in vollem Gange war, dann entschied ich mich kurzfristig um für Handball. Haunstetten ist ja schließlich bekannt für seine gute Handball-Abteilung, aber ich war sicher schon mehr als sechs Jahre bei keinem Spiel mehr, früher war ich regelmäßig. Ich ging gemächlich die Treppen hoch und suchte mir auf der mäßig gefüllten Tribüne einen Platz in der 4. Reihe. Wie sich im Laufe des Spiels herausstellte hieß meine Sitznachbarin Babsi (Mitte/Ende Dreißig) und war wohl mit einem Spieler liiert. Ich war zuerst etwas irritiert, grad fiel das 2:0 (Babsi klatschte), ich dachte es pfeifen da echt fünf Schiedsrichter. Nein es hatte sich doch nichts an diesem Kapitel im Regelwerk geändert die letzten Jahre, schwarz war der Gastverein aus Neusäß, der Schiedsrichter war ja gelb gekleidet, peinlich. Schließlich hab ich einige bekannte Gesichter wiedererkannt, die doch damals vor viel mehr Zuschauern gespielt haben, als auch ich noch öfter in der Halle war. Diese ganzen Studenten damals, eine super Truppe, einer wurde sogar mal Torschützenkönig in der Bayernliga. Ich fragte Babsi was das jetzt für eine Liga ist und sie meinte „ich glaube die Unterste“, da fiel das 8:1 und mir etwas auf: ja klar, Handball spielt man doch sieben gegen sieben, wieso waren da nur fünf Schwarze? „sind wohl nicht mehr Leute“ entgegnete mir ein anderer Tribünengast, nachdem ich meine Feststellung in dieser 15. Minute laut kundgetan habe, peinlich. Erklärt aber, dass die Neusässer sich das ganze Spiel lang echt schwer taten mit dem Tore werfen. Unsere hatten halt echt eine volle Bank und wechselten genau in dem Moment das ganze Team bis auf den Torwart komplett aus. Wow, „das müsste ja dann ein Rekordsieg werden“ habe ich noch scherzhaft gesagt ehe ein weiterer Zuschauer einwarf „ja, die wollen die heute wegfahren weil die im Hinspiel so dumm waren“, „wieso, haben unsere da verloren oder?“ „ne, aber die Neusässer waren da wirklich (…)“ (Anmerkung: das darf man nicht so veröffentlichen, es war wohl knapper im Hinspiel und man wollte jetzt klar die Kräfteverhältnisse aufzeigen). Da taten mir die Gäste schon fast leid, wenigstens hatten sie zwei Torhüter, wobei einer davon schon sicher mein Alter hatte (jenseits der 50), der Rest schien allerdings deutlich jünger. Erstaunlicherweise schafften es aber unsere frischen Spieler jetzt gar nicht, den Vorsprung weiter auszubauen. Unglaubliche freie Würfe konnten nicht ins Tor getroffen werden und diese halben Hemdchen aus Neusäß zirkelten doch immer wieder den Ball ins Netz, nur 16:7 zur Halbzeit.

 

Soll ich jetzt zum Bingo? Nein, jetzt schau ich es schon noch fertig, 30 Minuten, ist eh schon egal jetzt, auch wenn sicher keine Spannung mehr aufkommen wird. Vielleicht wird es ja in der zweiten Halbzeit etwas mehr Niveau geben. Jedenfalls stand bei uns jetzt ein neuer Torwart drin und bei Neusäß wieder der alte statt dem jungen und unsere ersten sechs Feldspieler. Gut, die hatten es auch viel besser gemacht als die anderen und es ging auch so weiter, wobei die Gäste diesmal immerhin drei Tore schafften in den ersten 12-13 Minuten der zweiten Hälfte. Es stand dann mittlerweile 25:10, die Neusässer nahmen ihre Auszeit, waren sichtlich platt, wechselten nochmal den Torwart. Das Spiel war mehr als entschieden, unsere Haunstetter waren ja körperlich wie spielerisch einfach um Längen besser, da kam der Vorschlag von der Tribüne: „Nehmt halt mal einen runter, zeigt mal das ihr Ehrenmänner seid“ aus unseren eigenen Reihen! Ja, das hätte schon irgendwie sportlichen Charakter gehabt, aber unsere haben es irgendwie nicht verstanden. Es kam wieder der Blockwechsel, eine sogar offensivere Abwehr und die Ansage von der Bank „haut doch jetzt auch mal gscheid hin in der Abwehr“ und „die Schwuchteln vertragen ja nix“. Konnte ich jetzt nicht ganz nachvollziehen, obwohl Neusäß mit dem alten Torwart quasi als Libero jetzt im Feld wirklich noch einen taktischen Schachzug parat hatte und  der sogar kurz nach dem 35:10 den elften Gästetreffer erzielen durfte. Die fairste Aktion im Spiel ihn dann auch wirklich werfen zu lassen, Danke, dass gab dann sogar von der ganzen Tribüne (alles Haunstetter) extra Applaus. Aus den Studenten, die ich damals so für ihr Talent, ihren Sportsgeist und Einsatz wirklich geschätzt habe, sind zwar mittlerweile Lehrer, Physikdoktoren oder hochbezahlte IT-Spezialisten geworden, aber irgendwie hatten die heute ihren Anstand verloren. 37:13 und keine zwei Minuten mehr auf der Uhr, wir Empfangen die Gäste beim Anwurf an der Mittellinie um noch schnell den Ball abzuluchsen, während die mit sich selbst kämpfen. Ballgewinn, 38:13 „nur noch zwei, komm auf geht´s, die sind doch platt“ kommt von der Bank. Neusäß schafft Raumgewinn, aber technisch sind die halt auf einem deutlich tieferen Niveau, Gegenstoß 39:13. Haunstetten will die 40 unbedingt und mit der Schlusssekunde gibt es echt noch einen direkten Freiwurf, aber Neusäß geht vom Platz, immerhin gute Aktion jetzt auch von unseren, sie lassen den Ball liegen, Ende. Nach so vielen Jahren Handball-Abstinenz bin ich heute enttäuscht worden von übertriebenen Revanche-Gedanken und fehlendem Respekt vor dem Sport und dem Gegner. Das war nicht der TSV Haunstetten Handball, den ich früher gern gesehen hab, Hobbels /Ebis Kaderschmiede konnte das doch wirklich besser. Auch wenn die Aufsteigen, nächstes Mal geh ich gleich wieder weiter zum Bingo, Amateuerhandball war schon mal ehrlicher. (Heidi Z., Hausfrau aus Haunstetten)